Muss ein Grüner auch „grün“ leben?
Willi Meyerhöfer und Rita Mulert, die kürzlich als grüne Vorstandsmitglieder in Herrsching bestätigt wurden, meinen: Klar, muss man. Die beiden sind sich aber einig: Ökologisches Verhalten bedeutet nicht nur Verzicht, sondern kann auch Spaß machen.
• Wer seine alte Ölheizung rausschmeißt, spart Geld und schont das Klima
• Herrsching muss grüner werden, Gratis-Parken für E-Autos reicht nicht
• Warum die Gemeindeverwaltung mehr Umwelt-Gestalter braucht
Interview: Gerd Kloos
Sie haben kürzlich den Bürgerenergiepreis Oberbayern für Ihr Vorzeigeprojekt „Sonnen-Energiehaus“ bekommen. Muss man als Grüner auch im privaten Bereich „grün” vorleben? Oder konkreter: Kann man als Grüner mit einem Sechszylinder-SUV durch die Gegend heizen?
Willi Meyerhöfer: Nein, kann man nicht. Für mich ist es ein persönlicher Anspruch vorzuleben, für was man politisch eintritt. Grün vorleben heißt, dass man kein Billigfleisch isst und keine exzessiven Flugreisen unternimmt. Das heißt aber nicht, dass man als typischer „Müsli“ leben muss. Aber mit einem großen „Verbrenner“ sollte man nicht zu einer grünen Demo kommen. Nicht nur deshalb, weil ein Auto sieben Quadratmeter Fläche beansprucht – Tag und Nacht, stehend und fahrend sogar mehr.
Rita Mulert: Ich bin auch der Meinung, dass man seine grünen Überzeugungen auch leben muss. Man kann kein Grüner sein und seinen Vorgarten betonieren.
…heißt das, dass Grün leben auch mal etwas anstrengend sein kann oder Verzicht bedeutet?
Rita Mulert: …ich bin gelegentlich mit dem E-Bike von Herrsching nach Fürstenfeldbruck in die Arbeit gefahren. Das war meist keine Überwindung, sondern einfach gesünder – und hat oft auch viel Spaß gemacht. Ökologisches Verhalten ist nicht nur Verzicht, sondern kann auch Spaß machen. Wenn wir doch mal das Auto brauchen, dann holen wir uns den „Sprit“ vom eigenen Dach. Den liefert uns die hauseigene Photovoltaik-Anlage.
Nun sind grüne Überzeugungen längst im politischen Mainstream angekommen. Immer mehr Menschen teilen grüne Werte. Warum aber, glaubt Ihr, gibt es noch so viele Ölheizung und SUVs?
Willi Meyerhöfer: Manche Leute wollen nicht aus ihrer Komfortzone rauskommen. Das sieht man zum Beispiel an den Heizungen: etwa 60 Prozent im Landkreis STA werden noch mit Öl oder Gas befeuert. Aber es liegt nicht nur daran, dass man am Althergebrachten festhält – es liegt vielfach an einem veralteten Informationsstand. Viele Leute glauben immer noch, man müsse sich einschränken, wenn man ökologisch korrekt handelt. Dabei bieten ökologische Alternativen Zugewinne an Lebensqualität. Beispiel Heizung: Wer seine alte Ölheizung rausschmeißt und durch eine Luftwärmepumpe ersetzt, kann den freiwerdenden Kamin für einen attraktiven Holzofen nutzen. Viele Hausbesitzer glauben auch noch, dass sie eine Fußbodenheizung brauchen, wenn sie ihre Ölheizung gegen eine Luftwärmepumpe eintauschen. Dabei funktioniert die Öko-Heizung auch mit konventionellen Heizkörpern. Bei einer Luftwärmepumpe steckt man bei 15 Grad Außentemperatur 20 Prozent Strom rein und kriegt 80 Prozent Wärme raus. Und wenn man die Pumpe mit einer Photovoltaikanlage betreibt, „heizt“ man in der Gesamtbilanz nicht mit Netzstrom, sondern mit der Sonne.
Was viele Hausbesitzer nicht wissen: Bei allen energetischen Maßnahmen mit erneuerbaren Energien bekommt man nach den jüngsten Beschlüssen im Gemeinderat und wenn das Budget dafür erneuert wird derzeit 5% der Kosten von der Gemeinde Herrsching ersetzt – zusätzlich zu den staatlichen Zuschüssen von bis zu 45%.
Müssten nicht auch die Heizungsbetriebe mehr Aufklärung betreiben?
Rita Mulert: Viele Heizungsbauer müssten besser informieren und Zweifler mit guten Argumenten überzeugen. Wäre auch schön, wenn Heizungsbauer mehr Leidenschaft für ökologische Lösungen hätten – so wie Willi Meyerhöfer, der leidenschaftlich für die Luftwärmepumpen-Technik plus Nutzen der Sonnenenergie wirbt. Ich zum Beispiel bin E-Bike-Fan und versuche, Bekannte und Freunde von den Freuden des komfortablen Fahrrad-Genusses zu überzeugen und dafür das Auto stehen zu lassen. Mit der gleichen Begeisterung werbe ich für Blumenwiesen in den Gärten.
Willi Meyerhöfer: Ich habe tatsächlich schon mehr als ein Dutzend Hausbesitzer davon überzeugt, ihre Ölheizung durch eine Wärmepumpenheizung zu ersetzen. Man muss einfach die Begeisterung weitergeben und die wirkt ansteckend. Ich konnte sogar Landrat Frey mit meiner Begeisterung für die Sonnenenergie anstecken.
Herrsching ist alles andere als eine grüne Vorzeige-Gemeinde. Im Umweltranking des Kreises Starnberg rangiert es auf den hinteren Rängen. Nun sitzen 7 Räte im Gemeinderat, die auf der Grünen Liste gewählt wurden. Welche Impulse will der Vorstand des grünen Ortsvorstandes setzen, um Herrsching grüner zu machen?
Rita Mulert: Wir bräuchten zuerst einmal mehr Personal in der zuständigen Gemeindeverwaltung, um Umwelt-Initiativen zu starten. So müsste zum Beispiel bei allen Gemeindebauvorhaben eine PV-Anlage eingeplant werden.
Eine Initiative waren zum Beispiel die Fahrradschutzstreifen in Herrsching. Und vor vielen Läden haben wir jetzt Fahrradständer. Der Fahrradverkehr in Herrsching hat sichtbar zugenommen. Ein weiterer Erfolg der Grünen ist auch die Verkehrsberuhigung in manchen Straßen – es wird erkennbar langsamer gefahren.
Willi Meyerhöfer: Viele Herrschinger haben plötzlich Gefallen gefunden an der Verkehrsberuhigung. Um solche Initiativen anzustoßen und umzusetzen, brauchen wir tatsächlich, wie Rita schon sagte, mehr Gestalter in der Gemeindeverwaltung…
…wie kostenloses Parken für E-Autos in Herrsching?
Rita Mulert:… das ist schon umgesetzt. Mit einem E-Auto darf man zwei Stunden kostenlos in Herrsching parken.
Die Grünen in Herrsching sind sehr erfolgreich: Der Ortsverband ist einer der mitgliederstärksten im Kreis, und im Gemeinderat sitzen sieben Räte, die auf der Grünen Liste kandidierten. Wie kann man noch mehr Menschen dazu bringen, in der Partei mitzuarbeiten?
Willi Meyerhöfer: Wir sind tatsächlich einer der stärksten Ortsverbände im Kreis Starnberg. Aber zugegeben: Wir profitieren auch vom Trend, Grün ist inzwischen sogar chic. Wir müssen jetzt die Power, die die jungen Menschen von Fridays for Future auf die Straße gebracht hat, in grüne, politisch durchsetzbare Strukturen bringen.
Rita Mulert: Es fehlen uns leider noch die Jüngeren, die sich engagieren. Aber wir sehen, dass Umweltthemen in der jungen Generationen immer wichtiger werden. Zum Beispiel sind Umwelt-AGs der Schule gut besucht. In Sachen plastikfreier Einkauf sind die Jungen der älteren Generation ohnehin schon weit voraus. Das ist doch ein verheißungsvolles Zeichen.
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